Dienstag, 6. Juli 2010

Über den Tod einer Muse / About the Death of a Muse

Nulllinie. Exitus. Zeitpunkt des Todes: 23 Uhr.

Als ob der Zeigerstand von Bedeutung wäre bei diesem einmaligen Ereignis. Wie oft ist eine bedingungslose Liebe schon an sich selbst erstickt?

Auf einmal hat es sie dahin gerafft, die Muse.

Doch, doch, Symptome gab es durchaus, aber wer hätte schon gedacht, dass diese in ihrer Zartheit gleich zu einem derart fatalen Ende führen?

Da liegt sie nun und ist tot, die bedingungslose Liebe. Mausetot, die Muse.





Und ich mag es gar nicht fassen. Nicht, weil ich sie für unsterblich gehalten hätte, sondern, weil sich dort, wo mir die bedingungslose Liebe bisher störrisch und unbelehrbar im Bauch saß, nun ein gleichermaßen widerspenstiges und feistes Nichts niedergelassen hat.

Und es lässt sich durch nichts erweichen, das Nichts. Die dargereichten Erinnerungen mag es nicht schlucken, und mehr habe ich ihm nicht entgegenzusetzen.

Ich habe mir einfach nie ausgemalt, wie es sein würde ohne die Muse. Und jetzt liegt sie dort - gänzlich charakterlos und tot.

Und die Fehler, die bisher in der Bedingungslosigkeit verblassten, stehen der Muse nun deutlich auf der leblosen Stirn geschrieben und sehen grässlich aus.


Doch woran ist sie nur gestorben? Todesursache Vernachlässigung? Musste sie etwa allein deshalb sterben, weil ich sie nicht mehr brauchte? Und hat sie im Umkehrschluss nur deshalb existiert, weil ihr mein Bedürfnis nach ihr Leben einhauchte?

Gibt es die bedingungslose Liebe am Ende gar nicht? Ist sie nichts weiter ein Produkt des eigenen Verlangens nach emotionaler Unterhaltung. Ist die bedingungslose Liebe lediglich der Entschluss, zu lieben, um der Liebe und nicht etwa um des Gegenübers Willen? Und rührt die bedingungslose Natur dieser forcierten Liebe in Wahrheit von ihrer Unnatürlichkeit und dem eigentlich zu Grunde liegenden Desinteresse? Desinteresse stellt selbstverständlich keine Bedingungen.

Ist die bedingungslose Liebe nur ein Pausenclown? Die Muse als Eulenspiegel der Gefühllosen?

Wie Schuppen fällt es mir von den Augen, jetzt da sie so entseelt vor mir aufgebahrt ist.

Die bedingungslose Liebe der Prügelknabe der wahren Liebe. Eine traurige Gestalt.

Erschien sie mir vor kurzem noch als Wertvollste ihrer Art, ist sie nun, da sie verstorben ist an der Tatsache, dass mir heute andere Narren zur Unterhaltung dienen, nichts weiter als ein Placebo gegen die emotionale Eintönigkeit.

Eine nüchterne Erkenntnis, aber in romantischer Hinsicht doch ein untrügliches Zeichen des Wohlergehens.

Und so lasse ich dich ruhen, liebe Muse, in Frieden.

Auf dass ich dich nie wieder zum Leben erwecken muss.


Und so haben wir uns hier versammelt, um Abschied zu nehmen von einem Clown im Musenkostüm...


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Flatline. Exitus. Time of death: 11 PM.

As if the hands of a watch played a role in this unprecedented event. How often has an unconditional love choked on itself before?

All at once the muse - my love - was carried off. Yes, yes, there were symptoms but who would have thought that they would lead to such a fatal end considering their delicateness?

And now the unconditional love is lying here - dead. Deadly bemused, my muse.

And I don't want to believe it. Not because I thought the unconditional love was immortal but because of the fact that at the exact same spot where it was sitting in my stomach up to today - stubbornly and obstinately - now an equally recalcitrant and stout void has settled down.

And it won't yield, the void. It won't swallow the memories I serve - and I can't think of anything else to offer.

I never imagined how it would feel to lose my muse.

And now it is lying there - characterless and dead.

And the mistakes and flaws that used to fade against the termlessness now clearly stand out looking hideous.

But what did it die from? Cause of death: Neglect? Did it only have to perish because I didn't need it anymore? And would the reverse conclusion be that it only existed because my need for it breathed life into it?

Does the unconditional love not exist after all? Is it nothing else but the product of my desire for emotional entertainment? Is it nothing more than the decision to love for the sake of love, not for the sake of the beloved? And does the unconditional character of this laboured love in truth originate from its unnaturalness and the underlying indifference? Indifference doesn't set any conditions self-evidently.

So, is the unconditional love only a class clown? The joker of the emotionally benumbed?

The scales fell from my eyes only now that it is lying in state in front of me - lifeless.

The unconditional love a punching bag of true love. What a sad story, what a sad figure.

Recently, I took it for the most valuable of its kind and now, that it has died from the fact that other jesters are serving my entertainment needs, it turns out to be nothing but a placebo against emotional monotony.

A prosaic insight but romantically speaking a sign of well-being nevertheless.

And now, please rest in peace, my muse.

Let's hope that I won't ever need to reanimate you.


So we are gathered here to say farewell to a clown in a muse's suit...




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